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Der Banalitätstest von Prof. Gälweiler: So sorgen Sie für mehr Tiefgang

Wenn sie einen Fachartikel schreiben, neigen viele Unternehmensberater dazu, ins Banale abzugleiten. Hilfreich ist hier der Banalitätstest des Betriebswirtschaftlers Prof. Dr. Aloys Gälweiler.

In Fachartikeln von Beratern finden sich immer wieder Aussagen, die an Banalität kaum zu übertreffen sind. Drei Beispiele aus Artikeln, die mir in den letzten beiden Wochen begegnet sind: „Die Omnipräsenz der Digitalisierung bringt Chancen, aber auch Herausforderungen mit sich.“ – „Die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft hat die permanente Veränderung zu einer Konstanten werden lassen.“ – „Digitalisierung und schnellerwerdende Technologie- und Produktzyklen verlangen von Unternehmen einen bisher nie dagewesenen kontinuierlichen Änderungsprozess.“

Muss man seinen Lesern, den Entscheidern in den Unternehmen, wirklich sagen, dass Digitalisierung „omnipräsent“ ist, dass sie „Chancen, aber auch Herausforderungen“ mit sich bringt?

Verzichten Sie auf solche Selbstverständlichkeiten, allein dadurch gewinnt Ihr Artikel an Tiefgang.

Fredmund Malik: „Völlig nichtssagende Formulierungen“

Das Phänomen ist nicht neu. Im Management-Kontext fänden sich „immer wieder völlig nichtssagende Formulierungen“,  kritisierte etwa Prof. Fredmund Malik schon vor 20 Jahren (M.o.M.-Letter, September 2001). Solche Formulierungen seien „nicht geeignet, ein Unternehmen und seine Geschäftsbereiche mit dem zu versorgen, was sie aus strategischer Sicht wirklich brauchen, nämlich Orientierung“.

Genau das ist aber doch der Anspruch eines guten Fachartikels: Orientierung geben.

Eine Leerformel, so führt Malik aus, ist eine Formulierung, die sprachlich völlig korrekt ist und scheinbar eine vernünftige Aussage enthält, „bei näherer Analyse sich aber als völlig nichtssagend erweist.“

Das Problem dabei: Diese Leerformeln oder tautologischen Aussagen seien oft so formuliert, dass man ihre Leere auf den ersten Blick nicht erkenne. Vielmehr „winden sie sich – kunstvoll verschnörkelt – meistens über mehrere Buchseiten, so dass es einer speziellen Anstrengung bedarf, ihren wahren Charakter zu erkennen“.

In die gleiche Kerbe schlägt der Soziologe Prof. Stefan Kühl. In einem Vortrag (Die Tücken der agilen Organisation, 31.07.2019) prangert er weit verbreitete „tautologische Formulierungen“ an: „Das sind Formulierungen, gegen die man nicht sein kann, die aber auch extrem wenig aussagen.“

Tautologien aufdecken: Der Banalitätstest von Professor Gälweiler

Wie kommt man nun diesen nicht immer offensichtlichen Banalitäten auf die Spur? Eine Antwort darauf gibt ein Banalitätstest des Betriebswirtschaftlers Prof. Aloys Gälweiler (1922-1984), auf den sich sowohl Malik wie auch Kühl beziehen.

In seinem Standardwerk „Unternehmensplanung, Grundlagen und Praxis“ (Campus Verlag 1986) beklagt Gälweiler eine „unglaublich starke“ Verbreitung von „Formulierungen, die mehr oder weniger etwas völlig Selbstverständliches enthalten, deshalb im Grunde auch beinahe für jedes Unternehmen in fast jeder beliebigen Situation gelten können“.

Der Wissenschaftler nennt in seinem Buch (S. 91 ff) viele Beispiele solcher Banalitäten, etwa man müsse „gezielte Maßnahmen ergreifen“, „sinnvolle Entscheidungen treffen“, „etwas zielstrebig in die Hand nehmen“, „eine wettbewerbsfähige Marktposition anstreben“. Ein gehäuftes Vorkommen solcher und ähnlicher Ausdrücke sei meistens „der beste Indikator dafür, dass jemand von den eigentlichen konkreten Sachverhalten nichts kennt und nichts weiß und sich nicht ernsthaft um sie bemüht hat“.

Die Banalität solcher Aussagen, so Gälweiler weiter, lässt sich testen, indem man die gegenteilige Aussage formuliert und sich fragt, ob diese einen Sinn ergibt.

In den genannten Beispielen hieße das: ungezielte Maßnahmen ergreifen, sinnlose Entscheidungen treffen, etwas nicht in die Hand nehmen, eine nicht wettbewerbsfähige Marktposition anstreben. Diese Aussagen sind völlig sinnlos.

Das Kriterium für den Banalitätstest lautet also:

Bei einer Aussage handelt es sich um eine Banalität, wenn die gegenteilige Aussage keinen Sinn ergibt.

Gälweiler: „Diese Prüfung, ob eine gegenteilige Formulierung noch einen rationalen Sinn hat, ist ein entscheidendes Kriterium für die Trivialität einer Aussage.“

Wenn zum Beispiel jemand vorschlägt, die wichtigste Sache zuerst zu erledigen – wer würde dafür plädieren, dass man die unwichtigste Sache zuerst erledigt? Sehr unplausibel! Also handelt es sich um eine Banalität. Erscheint hingegen die gegenteilige Aussage ebenfalls plausibel, handelt es sich bei der ursprünglichen Aussage um einen Sachverhalt, der dem Leser tatsächlich Orientierung bietet.

„Verlangen Sie das Geld zurück!“

Aufmerksam geworden auf den Banalitätstest bin ich durch besagten Vortrag von Prof. Kühl. Darin zitiert er aus der Literatur mehrere Definitionen des Begriffs Agilität, darunter auch folgende:

„Der Begriff agiles Management von Unternehmen bezeichnet eine Form der flexiblen und schlanken, innovativen und kundenorientierten mitarbeiterkompetenzorientierten, sich auf neue Technologien stützenden Organisation, die Marktentwicklung frühzeitig erkennt und sich bei den Strukturen und Prozessen wie bei den Personen und Kulturen schnell anpasst.“

In seinem Vortrag machte Kühl den Gälweiler-Test und verkehrte die Definition in ihr Gegenteil: „Der Begriff nichtagiles Management von Unternehmen bezeichnet eine Form der inflexiblen und nichtschlanken, innovationsfeindlichen und kundenfeindlichen, mitarbeiterignorierenden, sich auf alte Technologien stützenden Organisation, die Marktentwicklung systematisch verkennt und sich bei den Strukturen, Prozessen, Personen und Kulturen extrem langsam anpasst.“

Die Schlussfolgerung? „Wenn Sie solche Sachen lesen“, empfahl Kühl, „legen Sie das Buch oder den Artikel sofort beiseite und verlangen Sie das Geld zurück – denn Sie sind klüger als diese tautologischen Bestimmungen, die man da immer wieder findet.“

Was aber, wenn das Banale nur scheinbar banal ist?

Nun gibt es auch Aussagen, die banal erscheinen, tatsächlich aber relevant sind. Gerade darin liegt ja eine Ihrer Aufgaben als Beraterin oder Berater: auf einfache Regeln hinweisen, gegen die in der Praxis verstoßen wird, oft mit ernsthaften Folgen. Manche Empfehlung klingt banal, kann aber im richtigen Kontext sehr hilfreich sein.

Für diese Fälle gibt es ein einfaches und bewährtes Stilmittel: Sprechen Sie die scheinbare Banalität offen an. Wenn Sie annehmen, eine nach Ihrer Einschätzung wichtige Empfehlung könnte für den Leser banal klingen, schreiben Sie genau das: „Es klingt banal, aber…“

Damit entgehen Sie nicht nur der Gefahr, der Leser könnte Ihre Empfehlung als Banalität abtun. Zugleich erzeugen Sie Spannung: Der Leser wird neugierig; er möchte wissen, was es mit dieser Banalität auf sich hat. Entscheidend ist, die Spannung dann wieder aufzulösen, also zu erklären, warum der banal klingende Tipp so wichtig ist – warum er häufig übersehen wird, was die Folgen sind, welche Konsequenzen drohen.

Ähnliches gilt für die Botschaft eines Artikels. Steht sie für sich allein, kann sie manchmal durchaus banal klingen. Der Charakter des Banalen verschwindet jedoch, sobald Sie die Botschaft in einen Kontext stellen, der die Dimension des Themas deutlich macht. Genau das ist mit „Fallhöhe“ gemeint, einer der vier Zutaten, die Sie benötigen, wenn Sie einen guten Fachartikel schreiben.

Einen Fachartikel schreiben, der inhaltlich in die Tiefe geht, ganz ohne Banalitäten: Lesen Sie hierzu mein kostenloses E-Paper. Es zeigt Ihnen, wie Sie Ihren nächsten Artikel professionell anpacken:

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