Schreibwerkstatt
Schule des Schreibens
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Von ZEIT-Journalisten lernen

Wenn Sie Fachartikel schreiben möchten, können Sie von Journalisten lernen. Unter diesem Blickwinkel habe ich mir Die ZEIT-Schule des Schreibens, ein DVD-Seminar der ZEIT Akademie, angesehen.

Die acht Lektionen des Kompaktseminars Guter Journalismus – die ZEIT-Schule des Schreibens bieten einen spannenden Einblick in die journalistische Denkweise und Arbeit. Hier drei weniger bekannte Lehren, die Sie speziell als Fachautor aus der Arbeit von Journalisten mitnehmen können.

Lehre 1: Die Erzählebene wechseln

Tanja Stelzer, Redakteurin bei der ZEIT, stellt in ihrem Beitrag „Regeln für einen guten Reporter“ auf. Eine davon lautet: Der gute Reporter wechselt zwischen Anschauung, Hintergrundwissen und Reflexion.

Nichts sei langweiliger, als eine Szene an die andere zu reihen – oder einen informativen Absatz an den anderen, erklärt die Journalistin. Und weiter: „Die Kunst besteht darin, den Leser etwas miterleben zu lassen und durch das Miterlebte Hunger nach Information und Einordnung zu wecken, dann Information und Einordnung zu liefern, aber nur so viel, dass der Leser wieder den Anschluss an die eigentliche Story findet. Im Idealfall durchlaufen nicht nur die beschriebenen Figuren eine Entwicklung, sondern der Reporter entwickelt über seine Erzählung nach und nach auch einen Gedanken, eine Erkenntnis.“

Natürlich ist eine Reportage etwas anderes als ein Fachartikel. Doch auch ein fachlicher Text sollte zwischen Anschauung und Hintergrundwissen hin und her springen. Auch hier wünscht der Leser einerseits anschauliche Beispiele; er möchte Erlebnisse und Erfahrungen des Autors kennenlernen. Andererseits erwartet er, dass der Autor diese Beispiele in einen Kontext stellt und daran einen wichtigen Zusammenhang verdeutlicht.

Dieser Wechsel hilft vor allem, wenn Sie ein komplexes Thema anschaulich darstellen möchten. Im Storytelling spricht man hier auch von der Leiter des Erzählens: Der Autor steigt die Sprossen auf und ab – mal vom Konkreten hinauf ins Abstrakte, dann wieder herunter in Konkrete. Worauf es dabei ankommt, habe ich in einem eigenen Beitrag beschrieben (Die Leiter des Erzählens).

 

Lehre 2: Im E-Mail-Modus schreiben

Harald Martenstein regt an, einen Text „zumindest ansatzweise im E-Mail-Modus“ zu schreiben. Sein Thema ist die Kolumne, doch ist der Grundgedanke auch für Autoren anderer Texte sehr bedenkenswert. Vor allem dann, wenn Sie eigene Erfahrungen an Ihre Leser weitergeben möchten.

Worum geht es bei diesem E-Mail-Modus?

Vergessen Sie, dass Sie für ein Publikum schreiben. Tun Sie stattdessen so, als wollten Sie eine E-Mail an einen guten Freund schreiben. An jemanden, der sich für Ihr Thema interessiert und von Ihrem Wissen profitieren kann.

Was ist der Effekt?

Automatisch schreiben Sie, was Ihnen wirklich wichtig erscheint. Sie schalten „die inneren Zensurinstanzen“ aus, formuliert es Harald Martenstein und fährt fort: „Natürlich schießt man dabei oft übers Ziel hinaus. Man schreibt vielleicht Dinge, die nicht in die Zeitung gehören, zu Privates. Die Thesen sind zu steil, Sie verstoßen gegen alle möglichen Regeln. Das macht nichts. Sie werden den Text noch einmal überarbeiten, Sie können das alles reparieren. Aber die erste Fassung schreiben Sie im E-Mail-Modus, ganz bei sich, ohne Rücksicht auf die Welt draußen, nur für diesen Freund, der Sie kennt und Ihnen alles verzeihen wird.“

Machen Sie doch einmal den Versuch. Überlegen Sie, welcher Freund sich für Ihr Thema interessieren könnte. Und schreiben Sie Ihren Text im ersten Durchgang in der Form einer persönlichen E-Mail.

 

Lehre 3: Den Erkenntnisprozess beschreiben

Ein Artikel braucht eine klare Botschaft – das lässt sich nicht oft genug wiederholen. Auch im Falle einer Rezension erwartet der Leser eine klare Aussage über das beschriebene Werk: „Eine Literaturkritik ohne Urteil hat kein Herz und kein Zentrum“, konstatiert Iris Radisch. Entscheidend sei jedoch, dass der Leser dieses Urteil nachvollziehbar könne. „Wichtig ist weniger das Urteil selbst, sondern die Überzeugungskraft der Argumentation. Der Leser muss nachvollziehen können, wie der Rezensent zu seiner Meinung gekommen ist.“

Interessant ist nun, was die Journalistin mit „nachvollziehen können“ meint: Der Autor sollte sein Urteil nicht nur mit guten Argumenten begründen, sondern auch den Prozess offenlegen, wie er zu seinem Urteil gekommen ist.

Ein wertvoller Hinweis, der gerade auch für Autoren von Fachartikeln nützlich ist.

Was für den Literaturkritiker das Urteil ist, ist für den Fachautor die Botschaft, These oder Kernaussage. Ein guter Artikel lebt von einer klaren, möglichst auch provokanten Kernaussage. Je ungewohnter oder provozierender diese Aussage ist, desto sorgfältiger sollte sie begründet sein.

Hier kann es helfen, auch den Erkenntnisprozess darzustellen: Welche Erfahrungen stehen hinter Ihrem Urteil, Ihrer These oder Botschaft? Wie haben Sie Ihre These theoretisch untermauert? Welche Wissenschaftler haben dabei geholfen? Warum gerade sie? Welche Zweifel hatten Sie an Ihrer These? Wie haben Sie diese Zweifel ausgeräumt?

Indem Sie beschreiben, wie Sie zu Ihrer Kernaussage gekommen sind, gewinnt nicht nur die These an Glaubwürdigkeit. Die damit zum Ausdruck kommende Offenheit trägt auch dazu bei, mit dem Leser eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen.

Wenn Sie die wichtigste Regel speziell für das Schreiben eines Fachartikels kennenlernen möchten:

2 Kommentare

    • Christian Deutsch sagt

      Danke für Ihr Feedback! Ich freue mich, dass Ihnen der Beitrag gefallen hat.

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