Eine Fachredaktion akzeptiert keinen Werbetext – das hat sich inzwischen weitgehend herumgesprochen. „Was genau ist werbliche Sprache und wie vermeide ich sie?“, fragen daher immer wieder Autoren von Fachartikeln. Die Frage weist auf ein Missverständnis hin.
Beim Schreiben eines Fachartikels geht nicht darum, krampfhaft werbliche Formulierungen zu vermeiden, damit der Text „neutral“ erscheint und bei einer Redaktion „durchgeht“. Oder sich Strategien zu überlegen, um das eigene Produkt oder die eigene besondere Leistung im Text so zu verstecken, damit ein fachlicher Eindruck gewahrt bleibt und der Text auf den Leser neutral und objektiv wirkt.
Nein! Das ist der falsche Ansatz und endet im Gemurkse. Ein echter Fachartikel transportiert Wissen, keine Werbebotschaften. Die Frage, wie sich werbliche Formulierungen vermeiden lassen, stellt sich deshalb gar nicht.
Das große Missverständnis
Kürzlich schickte mir ein IT-Berater einen Artikelentwurf zu. Er hatte sich über den Einstieg intensiv Gedanken gemacht und kam auf eine sehr eigene Idee: Um den Leser kurz und prägnant beim Thema abzuholen, begann er seinen Fachartikel mit dem Claim des Unternehmens. Von da gelangte er zum Problem, über das er schreiben wollte – dessen Lösung dank des eigenen Produkts „so einfach geworden ist wie nie zuvor“.
Zugegeben: Der Einstieg führte direkt zum Thema und hatte durchaus seinen Reiz. Für eine Broschüre oder Produktbeschreibung wäre er goldrichtig gewesen. Nicht jedoch bei einem Fachartikel. Der Claim stellt die Verbindung zum Unternehmen her; und die Formulierung, die Lösung sei so einfach geworden „wie nie zuvor“, wirbt für das Produkt der IT-Beratung.
Der Fall illustriert ein großes Missverständnis. Viele Berater wollen Fachartikel schreiben, weil sie glauben, damit auf elegante Weise für das eigenen Unternehmen und Angebot zu werben. Tatsächlich hat ein Fachartikel die Aufgabe, relevantes Wissen zu vermitteln. Er ist nun einmal kein Werbetext.
Sind Sie Fachautor oder Verkäufer?
Ein echter Fachautor verzichtet ganz selbstverständlich darauf, in seinem Artikel oder Buch für sein Unternehmen oder Angebot zu werben. Ihm geht es um die Sache. Er schreibt Fachtexte, weil er etwas zu sagen hat und dieses Wissen uneigennützig weitergeben möchte.
Klar: Auch ihm geht es am Ende um den eigenen Erfolg. Als Berater möchte er sich mit einem Thema positionieren und bekannt werden. Im Hintergrund existiert in der Regel ein stimmiges Marketingkonzept, mit dem er einen Sog erzeugen möchte (mehr hierzu im Werkstattgespräch zum Thema „Meinungsführerschaft“). Ein Sog entsteht jedoch nur, wenn Interessenten Vertrauen zu ihm fassen und seine Expertise schätzen lernen. Ein als Fachartikel verpackter Werbetext sät da eher Misstrauen und wirkt kontraproduktiv.
Wenn ich deshalb gemeinsam mit einem Berater an einem Artikel oder Buch arbeite, dreht sich alles um den Inhalt. Wir tauchen in das Thema ein; die Zeit vergeht wie im Flug. Wir formulieren Leitfragen aus Sicht des Lesers oder malen Mindmaps, um den Stoff verständlich aufzubereiten. Die Frage, welcher Werbeeffekt sich erzielen ließe, liegt uns bei dieser Art von Textarbeit sehr fern.
Der Gegenpol zum „echten Fachautor“ ist der „Verkäufer“, der beim Schreiben auf einen möglichen Auftrag schielt. Viele Berater neigen in diese Richtung. Sie denken eher kurzfristig-verkaufsorientiert und möchten deshalb einen Hinweis auf ihre Dienstleistung oder ihr Produkt im Artikel unterbringen. „Das können wir doch machen?“, werde ich immer wieder gefragt – wovon ich dann dringend abrate. Auch ein Text mit versteckter Werbebotschaft bleibt ein Werbetext, der in einem Fachmagazin nichts zu suchen hat.
Ein verkappter Werbetext wirkt kontraproduktiv
Jede seriöse Fachredaktion lehnt einen verkappten Werbetext ab. Ein Redakteur sieht sich seinen Lesern gegenüber in der Pflicht und wird schon deshalb einen werblichen Text nicht akzeptieren. Darüber hinaus fordert das in Deutschland geltende Trennungsgebot, Werbung und redaktionelle Inhalte nicht miteinander zu vermischen.
Präzisiert wird das Trennungsgebot im Pressekodex des Deutschen Presserats, einer in Zusammenarbeit mit den Presseverbänden beschlossenen Selbstverpflichtung der Redaktionen in Print- und Onlinemedien.
Trennungsgebot von Werbung und Redaktion
In Ziffer 7 hält der Pressekodex des Deutschen Presserats fest:
„Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter (…) beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.“ (Quelle: Presserat)
Im Leitfaden zu Ziffer 7 heißt es ergänzend: „Schleichwerbung liegt auf jeden Fall vor, wenn eine Veröffentlichung werbliche Formulierungen enthält.“ (Download Leitfaden zu Ziffer 7)
Vielleicht könnte es ja trotzdem gelingen, eine Werbebotschaft geschickt zu verpacken und erfolgreich am Redakteur vorbeizuschmuggeln. Versucht wird das oft genug. Dem lässt sich entgegenhalten: Die meisten Leser haben ein feines Gespür dafür, ob ein Autor sie uneigennützig bei einem drängenden Problem unterstützt oder in erster Linie das eigene Produkt verkaufen möchte.
Im zweiten Fall entstehen Zweifel an der neutralen Expertenrolle des Autors. Das wiederum verhindert den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zum Leser. Und gerade darauf kommt es doch an: zu seinen Lesern und damit auch potenziellen Kunden Vertrauen aufzubauen.
Die Haltung des aufrichtigen Ratgebers macht Ihren Text automatisch werbefrei
Aus dem Content-Marketing sind viele Ratschläge bekannt, um einen Text von werblichen Formulierungen zu bereinigen oder davon frei zu halten. Empfohlen wird zum Beispiel, den Text von werblichen Ausdrücken oder Marketing-Floskeln zu bereinigen – also Wörter wie „besonders“, „hervorragend“, „innovativ“ oder „zeitgemäßer denn je“ herauszustreichen.
„Es zählt ja gerade zur Strategie, die Inhalte nicht werblich und verkaufend zu gestalten“, schreibt Gidon Wagner, Geschäftsführer der WORTLIGA GmbH. In seinem lesenswerten Beitrag grenzt er Journalismus und Content-Marketing voneinander ab.
Alles richtig. Doch ein Fachartikel ist weder ein Werbetext noch ein Text fürs Content-Marketing. Ein Fachartikel erfordert eine andere Grundhaltung. Wer sich bemühen muss, einen Text werbefrei zu halten, schreibt in einer Haltung, die zum Genre eines Fachartikels nicht passt. Für ihn steht nach wie vor das Verkaufen im Vordergrund, also die Idee: „Ich möchte mit diesem Artikel auf mich und meine Leistung aufmerksam machen.“
Ein Fachartikel erfordert demgegenüber die Haltung eines Experten, der ohne Eigennutz über ein relevantes Thema schreibt. Es mag abgedroschen klingen, doch für einen guten Fachautor geht es nur um eines: den Leser ohne Wenn und Aber in den Mittelpunkt zu stellen. Gefragt ist die Haltung eines ehrlichen Ratgebers.
Was heißt das konkret?
Als Fachautor greifen Sie ein Thema auf, bei dem Sie sich auskennen und das den Leser ernsthaft berührt – das ihn bedrückt, ihm gefährlich werden kann oder ihm eine besondere Chance bietet. Mit Ihrem Artikel geben Sie Orientierung, warnen vor einer Sackgasse oder zeigen mögliche Auswege auf.
Mit dieser Haltung ist nun ein bemerkenswerter Effekt verbunden: Sobald Sie den Leser in den Mittelpunkt rücken und sich allein auf sein Anliegen konzentrieren, denken Sie keinen Augenblick mehr ans Verkaufen. Sie bringen Ihr Wissen und Ihre Erfahrung ein, ohne dabei das eigene Geschäft im Blick zu haben. Ganz von alleine entsteht so ein vollkommen werbefreier Text.
Die meisten Leser werden Ihre uneigennützige Herangehensweise spüren – und Ihnen dafür dankbar sein. Der eine oder andere wird sich an Sie erinnern, wenn er tatsächlich einmal einen Beratungsbedarf hat.
Nehmen Sie künftig die Haltung des erfahrenen Experten ein, wenn Sie einen Fachartikel schreiben. In meinem Selbstlernkurs erhalten Sie eine Anleitung in zehn Lektionen, wie das Artikelschreiben effektiv funktioniert. Von der Themenfindung bis zur Veröffentlichung.
Vielen Dank für diesen Blogbeitrag! Er bespricht – und löst! – ein Thema, das mich schon länger beschäftigt. Bei mir war es eher umgekehrt: ich hatte immer das latente Unwohlsein, dass ich – als Unternehmerin – doch „irgendwie“ auch meine Leistung verkaufen müsste, sozusagen: „wenn ich schon ein Artikel schreibe, dann muss ich doch – wirtschaftlich denkend – auch ‚irgendwie‘ meine Leistung bzw. mein Angebot ‚zur Sprache bringen'“. Ich kann nicht sagen, woher dieses – diffuse – Gefühl kommt, dass ich meinen „Job“ als Unternehmerin womöglich nicht richtig mache, wenn ich nicht ständig und überall (passend oder nicht ;-)) über mein Angebot rede … Danke daher für diesen Artikel – ich glaube, ich musste einfach mal aus berufenem Mund (bzw. berufener Feder) lesen, dass es okay ist und mehr als ausreicht, kundenorientiert mein Wissen weiterzugeben. Das macht nämlich wirklich Freude! Und bringt allen was! Darum geht’s ja! DANKE für diesen Artikel!
Lieben Dank für diesen interessanten Blickwinkel, an den ich noch gar nicht gedacht hatte!
Ich würde das eher als herumeiern bezeichnen. Wenn ich das besprochene Produkt verkaufe, steht der Verkauf immer im Hintergrund. Reine Fachartikel können aus meiner Sicht deswegen nur Personen schreiben, die in keinster Weise in die Vermarktung involviert sind. Andererseits, weshalb sollte ich als Vermarkter nicht einen fachlich korrekten Beitrag mit direkter Vekaufsabsicht schreiben. Das hat ja nur wegen der „segensreichen“ Tätigkeit der Verbraucherschützer u. ä. zu tun. die dies als unkorrekt bewerten. Das bedeutet allerdings eher, dass diese den Kunden als nicht fähig beurteilen, eine Entscheidung fällen zu können. Allerdings funktioniert Wirtschaft nur über beworbene Produkte. Der Kunde hat unzählige Möglichkeiten, sich über mehrere Angebote „sein“ Urteil zu bilden. Das hat mit der logischen Vorstellungskraft, aber auch und vor allem mit dem Vertrauen in den Anbieter (Branding) oder dessen Vertreter zu tun. Dies ist ehrlicher, wenn es ohne Herumeiern ginge. Mittlerweile sind allerdings die allermeisten dabei Fehler zu vermeiden, also lieber nichts zu unternehmen. Sie sehen deswegen die Notwendigkeit und die Chancen (Förderungen-dringend notwendige Entlastungen im Alter) nicht mehr. Das Dilemma ist, mit zeitlicher Verzögerung, auch für Gutverdiener, ein stark niedrigerer Lebensstandard im Alter. Vogel Strauß Land vom feinsten. Erstaunlicherweise auch jede Menge Akademiker mit Angst vor der eigenen Entscheidung!
Selbstverständlich können Sie als Vermarker einen fachlich korrekten Beitrag mit direkter Verkaufsabsicht schreiben. Gehört ja doch zu Ihrem Job? Nur ist das dann kein Fachartikel im hier beschriebenen Sinne, der z.B. in einem Fachmagazin veröffentlicht werden kann.