In vielen Texten steckt viel Mühe, und doch sind sie schwer lesbar. Einen Ausweg versprechen hier kostenlose Tools zur Textprüfung. Was taugen sie wirklich?
Ich kenne einen Berater, der jagt seine Texte grundsätzlich durchs Blablameter. „Oft bin ich dann erschrocken, wie viel Beraterquatsch ich geschrieben habe“, gesteht er. Letzthin kommentierte das Tool einen seiner Texte mit den Worten: „Es stinkt gewaltig nach heißer Luft! Auch wenn Sie PR-Profi, Politiker, Unternehmensberater oder Universitätsprofessor sind – beim Eindruck schinden sollten Sie Ihre Aussage nicht vergessen.“
Nach einem solchen Urteil feilt dieser Berater so lange an seinem Artikel, bis ihm das Blablameter einen ordentlichen Text bescheinigt. Die Mühe lohnt sich: Seine Texte sind am Ende deutlich besser als die der meisten Kollegen.
Vom Flesch-Index bis zum Blablameter: Tools zur Textprüfung
Was macht einen Text verständlich? Die Frage hat Sprachexperten unterschiedlicher Disziplinen schon lange beschäftigt. Sie entwickelten Verfahren, um die Lesbarkeit eines Textes zu bestimmen und zu messen. So hat zum Beispiel der US-amerikanische Jurist Rudolf Flesch 1948 eine Lesbarkeitsformel entwickelt, die auf die deutsche Sprache übertragen wurde und als „Flesch-Index“ nach wie vor genutzt wird. Ein anderes Beispiel ist das Hamburger Verständlichkeitsmodell, das ein Team von Kommunikationspsychologen rund um Friedemann Schulz von Thun entwickelt hat.
Mit der modernen Computertechnik wurde es möglich, die Konzepte aus der Verständlichkeitsforschung zu automatisieren. Schaut man sich im Internet um, stößt man auf unterschiedliche Tools zur Textanalyse:
- Die wohl meisten Angebote arbeiten mit statistischen Kennzahlen wie Anzahl der Sätze, Anzahl der Wörter pro Satz, Anzahl der Silben pro Wort. Hieraus errechnen sie einen „Flesch-Wert“.
- Anspruchsvollere Tools beziehen weitere Parameter mit ein, etwa indem sie einen Text auf Grundlage des Hamburger Verständlichkeitsmodells analysieren.
- Und dann gibt es da noch jenes Geheimnis umwitterte Blabameter – Star unter den Tools, umstritten, verbunden mit einem gewissen Suchtfaktor.
Ein kleiner Test: Was die Tools zur Textprüfung taugen
Die Textprüfung funktioniert bei allen Tools ähnlich: Man gibt einen Text in ein Formularfeld ein und erhält sofort das Analyseergebnis. Dementsprechend einfach ist es, verschiedene Angebote auszuprobieren und zu vergleichen. Hier meine subjektive Auswahl im persönlichen Test.
Für den Test habe ich zwei Texte ausgewählt. Der erste ist ein Fachartikel, den ein Seniorberater einer renommierten Beratungsgesellschaft geschrieben hat. Es handelt sich um einen inhaltlich anspruchsvollen Beitrag, den ich konzentriert lesen musste, um ihn zu verstehen. Nach meinem Dafürhalten steht er für viele ähnliche Beraterartikel. Der zweite Text stammt von mir: mein Blogartikel über das Hamburger Verständlichkeitsmodell.
Die Texte habe ich in vier Tools eingegeben: den Lesbarkeitsindex der Textagentur Supertext, den Textinspektor des SGV Verlags, das Textanalyse-Tool von Wortliga – und das Blablameter.
Lesbarkeitsindex der Textagentur Supertext
Die Schweizer Textagentur Supertext bietet auf ihrer Internetseite den Supertext-LIX-Rechner an. „LIX“ steht für „Lesbarkeitsindex“. „Der Index entstammt einer Formel aus dem Jahr 1968, vorgestellt vom Schweden Carl-Hugo Björnsson“, erläutert der Anbieter. „Diese ermöglichte zum ersten Mal eine quantitative Messung der Textkomplexität. Und erlangte so schnell grosse Beliebtheit.“
Der Index erfasst die Anzahl Wörter pro Satz sowie den Anteil langer Wörter (über sechs Buchstaben). Je länger die Wörter und Sätze, desto schwieriger der Text. Das Resultat ist eine Zahl zwischen 0 und 100. Je höher, desto weniger leserfreundlich ist der Text.
Textprüfung mit dem Supertext-LIX-Rechner
Webseite: www.supertext.ch/tools/lix
Auswertung: Index reicht von 0 bis 100, 20 = Jugendliteratur, 40 = Belletristik, 50 = Sachliteratur, 60 = Fachliteratur.
Ergebnis Text 1 (typischer Beraterartikel):
Indexwert 60 – „Ihr Text ist sehr schwer zu lesen. Ähnlich wie ein wissenschaftliches Fachbuch.“
Ergebnis Text 2 (Blogartikel Hamburger Verständlichkeitsmodell):
Indexwert 46 – „Ihr Text hat eine mittlere Lesbarkeit. Ähnlich wie ein anspruchsvoller Roman.“
Kommentar: Ein Anhaltspunkt, mehr nicht. Der Supertext-LIX-Rechner lässt den Nutzer mit dem Ergebnis ziemlich allein. Der Autor weiß nicht, ob und wie er seinen Text verbessern sollte. Zumal es Unfug wäre, längere Fachbegriffe wie Unternehmensstrategie, Digitalisierung, Geschäftsprozess oder Kreditorenbuchhaltung durch kürzere Wörter zu ersetzen. Wie auch?
Textinspektor des SGV Verlags
Der Trainer und Werbetexter Stefan Gottschling betreibt mit dem Texterclub auf Facebook eine der größten Social-Media-Plattformen für Texter. In seinen Beratungsprojekten verwendet er ein Analyseprogramm, das er in einer allgemeinen Form kostenlos zur Verfügung stellt. Grundlage ist auch hier die Lesbarkeitsformel von Rudolf Flesch.
Das Tool bietet die Möglichkeit, verschiedene Textsorte, Zielgruppen und Altersgruppe auszuwählen und in die Auswertung einzubeziehen.
Textprüfung mit dem Textinspektor
Webseite: www.textinspektor.de
Auswertung: Skala von 0 bis 20 (je niedriger der Wert, desto schwerer verständlich ist der Text); Zielgruppe „Business-to-Business“ ausgewählt
Ergebnis Text 1 (typischer Beraterartikel):
Indexwert 1,6 – „sehr schwer, vergleichbar mit wissenschaftlicher Abhandlung“
Ergebnis Text 2 (Blogartikel Hamburger Verständlichkeitsmodell):
Indexwert 9,7 – „normal, vergleichbar mit Roman“
Kommentar: Das Ergebnis deckt sich mit dem des Supertext-LIX-Rechners. Auf der Internetseite des Textinspektors wird ausführlich erklärt, wie das Ergebnis zustande kommt. Hieraus kann der Nutzer ablesen, inwieweit er Satzlängen und Wortlängen kürzen sollte. Darüber erhält er jedoch keine Hinweise, wie er seinen Text verbessern kann.
Textanalyse-Tool von Wortliga
Das Analysetool der Wortliga GmbH „prüft Textinhalte auf Verständlichkeit, Prägnanz und Ästhetik“, verspricht der Anbieter auf seiner Internetseite. Grundlage dafür sei das Hamburger Verständlichkeitsmodell.
Als Ergebnis erhält der Nutzer neben einem Gesamturteil auch konkrete Anregungen, um den Text zu verbessern. Fährt man mit der Maus in den Anmerkungen neben dem Text über ein kleines „i“, werden die betreffenden Stellen im Text gelb hervorgehoben.
Um das Tool auszuprobieren, hatte ich den Entwurf meines Blogartikels über das Hamburger Verständlichkeitsmodell eingegeben. Mit 55 Indexpunkten erhielt ich die Note „gut lesbar“ – und zudem Anregungen, den Text weiter zu verbessern. Zum Beispiel wies das Tool auf überflüssige Füllwörter oder auf unschöne Passagen im Nominalstil hin. Nach der Bearbeitung erzielte der Text mit 57 Indexpunkten immerhin zwei zusätzliche Punkte.
Textprüfung mit dem Wortliga-Analysetool
Webseite: wortliga.de/textanalyse/
Auswertung: zu schwierig (< 45), zu banal (>70)
Ergebnis Text 1 (typischer Beraterartikel):
Indexwert 37 – „Ihr Text ist zu schwierig“
Ergebnis Text 2 (Blogartikel Hamburger Verständlichkeitsmodell):
Indexwert 57 – „Ihr Text ist gut lesbar“
Kommentar: Empfehlenswert. Der Nutzer erhält nicht nur ein Gesamturteil, sondern wird gezielt auf Schwächen seines Textes hingewiesen. Er kann den Text an den angezeigten Stellen verbessern, etwa indem er Füllwörter streicht, aktiv statt passiv formuliert oder verschachtelte Sätze in einzelne Hauptsätze auflöst. Wo andere Tools lediglich einen pauschalen Flesch-Wert ausgeben, wird dem Autor hier konkret geholfen. Welche Vorschläge er annimmt, bleibt natürlich seinem Stilgefühl überlassen.
Das Blablameter
„PR-Profis, Politiker, Berater, Werbetexter oder Professoren müssen hier tapfer sein! Das Blablameter entlarvt schonungslos, wieviel heiße Luft sich in Texte eingeschlichen hat.“ Mit diesen Worten begrüßt das Blablameter seine Besucher – und lehrt angehende Autoren das Fürchten.
Die Erfinder des Blablameters, laut Impressum Ilse Burisch und Bernd Wurm aus Frankfurt, halten sich bedeckt. Wie sie auf der Seite des Blablameters mitteilen, möchten sie keine Medienanfragen beantworten. Bereits 2011 hatte Bernd Wurm im Gespräch mit dem Informationsnetzwerk silicon.de erklärt, er habe das Skript zu 95 Prozent selbst programmiert. Das Skript prüfe Texte nach Parametern wie der übermäßigen Verwendung von Substantiven, überlangen Wörtern und PR-typische Phrasen.
Besonders allergisch reagiert das Tool offenbar auf Beraterdeutsch. Jedenfalls erhalten Texte von Unternehmensberatern häufig extrem schlechte Bewertungen. Der Management-Berater Jörg Haupt stellte in seinem Blog das Blablameter auf den Prüfstand. Et kommt zu dem Schluss, dass das Tool „betriebswirtschaftliches Vokabular durchgängig negativ bewertet“.
Dennoch ist der Bullshit-Index, wie sich das Tool auch nennt, unter Beratern und Textern beliebt. „Das Blablameter arbeitet recht zuverlässig“, urteilt der Schreibtrainer Armin Jäger. „Es reagiert sehr empfindlich auf Nominalstil und bestimmte Reizwörter. Für mich ist es ein Trainingsinstrument, das Demut lehrt und anspornt.“
Das Blabla meter ist auf Indexwerte zwischen 0 und 1 ausgelegt, wobei besonders hochwertige Texte zwischen 0,1 und 0,3 am unteren Ende der Skala liegen. Texte mit extrem viel heißer Luft können die Skala auch nach oben durchbrechen.
Der eingangs zitierte Unternehmensberater und Blablameter-Fan bekennt: „Bei mir geht kein Artikel raus, der nicht unter 0,5 liegt, idealerweise deutlich unter 0,4. Meine besten Texte lagen bei 0,25 oder 0,28. Die haben sich in der Tat sehr flüssig, sehr gut gelesen. Das ist die hohe Schule für mich.“
Nun dürfen wir gespannt sein, welche Bullshit-Werte unsere beiden Testartikel erzielen!
Textprüfung mit dem Blabameter
Webseite: www.blablameter.de/
Auswertung: ausgelegt auf Indexwerte zwischen 0 und 1 (je höher der Wert, desto schwerer verständlich der Text)
Ergebnis Text 1 (typischer Beraterartikel):
Bullshit-Index: 0.61 – Urteil des Blablameters: „Sie müssen PR-Profi, Politiker, Unternehmensberater oder Universitätsprofessor sein! Sollten Sie eine echte Botschaft transportieren wollen, so erscheint es fraglich, ob diese Ihre Leser auch erreicht.“
Ergebnis Text 2 (Blogartikel Hamburger Verständlichkeitsmodell):
Bullshit-Index: 0.39 – Urteil des Blablameters: „Ihr Text zeigt schon erste Anzeichen heißer Luft. Für Werbe oder PR-Sprache ist das noch ein guter Wert, bei höheren Ansprüchen sollten Sie vielleicht noch ein wenig daran feilen.“
Kommentar: Das Blablameter motiviert, einen Text zu überarbeiten und um ein paar Hundertstel zu verbessern. Für viele Beratertexte dürfte es jedoch schwer sein, unter einen Wert von 0,4 zu kommen. Es wäre ja unsinnig, treffende und den Lesern bekannte Fachausdrücke zu vermeiden, nur weil das Blablameter sie nicht mag.
Fazit
Der kleine Test zeigt: Kostenlose Tools zur Textprüfung nehmen einem Autor zwar nicht die Mühe des Schreibens ab. Doch sie bieten eine gute Möglichkeit, sprachliche Fehler aufzudecken und die Verständlichkeit zu verbessern. Für Berater, die Fachartikel schreiben möchten, können sie eine wertvolle Hilfe sein.
Eine Textprüfung hilft nur noch wenig, wenn der Text am Anfang nicht gut geplant war. Hier erfahren Sie, wie Sie einen Fachartikel von vornherein richtig anpacken:
Herzlichen Dank für den Review unseres LIX-Rechners. Sie haben absolut Recht. Es fehlt noch an weiterführenden Tips. Aber der Rechner beurteilt auch nicht über gut oder schlecht, sondern einfach wie schwierig ein Text zu lesen ist. Und ein Beraterartikel ist eher ein Fachtext.