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Roboterjournalismus: Kalter Kaffee – aufgekocht

Textroboter übernehmen immer mehr Schreibarbeiten. Auch Berater entdecken den Roboterjournalismus, um Texte automatisch erstellen zu lassen. Schreiben Roboter bald auch Fachartikel?

Die Beratergruppe Strategie e.V., eine Vereinigung von Unternehmensberatern, hatte jüngst einen interessanten Referenten geladen: Andreas Wenninger, Geschäftsführer von uNaice, Anbieter von Textrobotern. Vor den etwa 20 Zuhörern präsentierte er einige Zeitungstexte, jeweils zwei über dasselbe Ereignis. Der eine Text war von einem Journalisten geschrieben, der andere automatisch generiert. Wer hat was geschrieben?

Das Publikum sollte raten – und lag regelmäßig daneben. Erstaunlicherweise stammten gerade die sprachlich besseren Texte aus der Feder des Roboters.

Die Botschaft: Automatisch generierte Texte sind heute in vielen Fällen nicht mehr unterscheidbar von Texten, die Menschen geschrieben haben. „Mit Hilfe eines Textroboters können Sie automatisiert Content erstellen und veröffentlichen“, resümierte der uNaice-Geschäftsführer, „und das fehlerfrei und in beliebig vielen Varianten. Der Roboter erlernt dabei Ihren persönlichen Sprachstil und schreibt, wenn Sie wollen, in 26 Sprachen.“

An der Idee, die Möglichkeiten des Roboterjournalismus zu nutzen und Texte künftig automatisch erstellen zu lassen, fanden drei der anwesenden Berater Gefallen. Erste Projekte entstanden. Zum Beispiel möchte ein Gründungsberater sein Weblog künftig weitgehend vom Textroboter schreiben zu lassen.

Fragen drängen sich auf: Was können Textroboter heute schon? Wo liegen die Grenzen des Roboterjournalismus? Werden Roboter eines Tages die Rolle des Fachautors übernehmen?

Roboter schreiben die besseren Artikel

Hinter dem Schlagwort Roboterjournalismus stehen Programme, die mit Hilfe von Algorithmen Texte generieren. Sie sind als lernende Systeme konstruiert. In der Massenproduktion von Texten, so der Hamburger Journalistik-Professor Thomas Hestermann im Branchendienst Meedia, „schneiden Maschinen teilweise sogar besser ab als Menschen – was bitter ist, aber es ist leider so“.

Typische Einsatzfelder im Bereich der klassischen Medien sind Sportberichte, Börsennachrichten oder Wettervorhersagen. Eine Studie von Kommunikationswissenschaftlern der Ludwig-Maximilians-Universität München hat untersucht, wie die Computer-Text bei den Lesern ankommen. Das Ergebnis: Leser geben Texten, die von Algorithmen erstellt wurden, gute Noten. Verglichen mit Texten von Journalisten gelten sie sogar als etwas glaubwürdiger.

Tatsächlich kann die Software eine ganze Menge:

  • Sie kennt Schreibregeln, mit deren Hilfe sie Sätze und Abschnitte strukturiert.
  • Sie achtet auf Vorgaben zum Sprachstil, vermeidet zum Beispiel Wiederholungen.
  • Auf Knopfdruck erstellt sie viele verschiedene Versionen eines Textes.
  • Sie beschreibt einen Sachverhalt ausführlich oder in wenigen Zeilen.
  • Auf Wunsch nimmt sie sogar eine bestimmte Perspektive ein. Zum Beispiel kann sie den Bericht über ein Fußballspiel mal aus der Perspektive von Mannschaft A, mal aus der von Mannschaft B schreiben.

Inzwischen sind Software-Roboter dabei, die Medienlandschaft grundlegend zu verändern – weit über die klassischen Medien hinaus. „Die Algorithmen werden immer besser. Die Zahl automatisierter Texte wird stark steigen“, beobachtet der Kommunikationswissenschafter Dr. Andreas Graefe.

Grenzen des Roboterjournalismus

Es stimmt, Textroboter können eine ganze Menge. Aber es tut sich ein grundsätzliches Problem auf.

Ich erinnere mich an eine Diskussion aus meiner Zeit als Magazinredakteur. Damals, Anfang der 1990er Jahre, kam es immer wieder vor, dass der eine oder andere Redakteur eine Story aus Archivmaterial zusammenbastelte. Hierzu zog er sich für ein paar Stunden in den Keller zurück (wo sich das Archiv befand) und vertiefte sich in die sauber aufgeklebten und in Ordnern aufbewahrten Artikel. Am Ende schrieb er anhand des Materials seinen Artikel.

Diese Vorgehensweise war manchmal aus Zeitgründen unvermeidlich, jedoch zurecht verpönt. Die Artikel lasen sich zwar ganz nett; sie enthielten viele Zitate und waren durchaus lebendig geschrieben. Dennoch wirkten sie langweilig. Man spürte, dass sie nichts Neues enthielten. Sie waren aufgekochter Kaffee.

Ganz ähnlich verhält es sich mit Roboter-Texten. Auch sie greifen auf Vorhandenes zurück – auf Informationen, die irgendwo im Internet oder in irgendwelchen Datenbanken gespeichert sind. Was das in letzter Konsequenz bedeutet, beschreibt anschaulich die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel in ihrem bereits 2013 erschienen Buch „Wir verschwinden“:

„Wenn Algorithmen jetzt das Netz durchstöbern, dann suchen sie in Unmengen menschengemachter Daten, um daraus eine berechnete Maschinenvariante eines Texts mit Neuigkeitswert zu generieren. Wenn wir es mit mehr und mehr maschinengemachten Texten zu tun bekommen, die auch im Netz gespeichert, also Bestandteil des digitalen Archivs werden, auf das die Algorithmen wiederum zugreifen, entsteht ein sich selbst verstärkender Prozess: Die Menge an menschlichen Texten als Quellen der zufälligen, subjektiven Variation wird kleiner, die der durch Software berechneten Texte größer. Irgendwann wird auch die Datenbasis des Internets ihr eigener Status quo. Die Algorithmen pflügen durch eine schier endlose Masse von Textvariationen, aber alles war schon mal da. Nichts Neues kommt mehr dazu.“ Miriam Meckel

Umso wertvoller werden Artikel, die wirklich Neues bieten!

Jenseits des Roboterjournalismus: Das Neue schafft der Mensch

Stellt sich also die Frage: Woher kommt das wirklich Neue, jenseits intelligenter Kombinationen des Vorhandenen? Das dürfte vor allem die Aufgabe von Menschen bleiben. Von Journalisten, die durch Fragen und Recherchieren Neues schaffen. Oder von Fachautoren, die es verstehen, ihr eigenes Wissen und ihre eigenen Erfahrungen verständlich darzustellen.

Textroboter spielen ihre Überlegenheit aus, wenn es darum geht, große Mengen an Rohdaten in eine schriftliche Form zu bringen. Sie verfassen Quartalsberichte oder die Produktbeschreibungen für einen Webshop. Das machen sie schneller, besser und damit deutlich wirtschaftlicher als ein Mensch. Aber werden sie eines Tages auch Neues entdecken und einordnen können? Wohl kaum.

Bis aus Weiteres dürfte kein Algorithmus in der Lage sein, mit menschlichem Einfühlungsvermögen ein Gespräch zu führen, mit dem Gespür für Situationen eine Reportage zu verfassen oder zwischen den Zeilen die eigentliche Aussage seines Gegenübers herauszuhören. „Der Algorithmus erkennt von sich aus keine neuen Probleme und stellt auch keine Fragen“, konstatiert Dr. Andreas Graefe.

Das lässt sich auf Ihre Rolle als Fachautor übertragen.

Als Berater sind Sie tagtäglich mit Ihrem Thema unterwegs. Sie stellen Fragen, tauschen sich in Projekten oder auf Seminaren aus. Sie entdecken Zusammenhänge und verstehen es intuitiv, Ereignisse und neue Trends richtig einzuordnen. Kein Algorithmus kann auf dieses in Ihrem Kopf gespeicherte Wissen zugreifen. Wenn Sie es weitergeben möchten, liegt es allein an Ihnen, die Inhalte etwa in Form von Fachartikeln oder Fachbüchern aufzubereiten. Diesen Job können Sie an keine Maschine delegieren.

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Weiterführende Informationen

Das wird Ihnen kein Roboter je abnehmen: Wie Sie Ihr Wissen in spannende Themen verpacken und Fachartikel schreiben, die Ihnen Fachmagazine gerne abnehmen!

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